In Berlin hat seit wenigen Tagen das erste Reste-Restaurant Deutschlands seine Tür für Gäste geöffnet. Restlos Glücklich heißt es und gekocht wird mit Lebensmitteln, die sonst in der Tonne landen würden. Im April läuft eine Test-Phase: jeweils freitags und samstags an den Wochenenden. Ich hab’s getestet und fand’s klasse.
Vom Neuköllner Rathaus aus die Karl-Marx-Straße runter, dann rechts ums Eck. Die Kienitzer Straße wirkt ziemlich unscheinbar. Noch ist es ein Geheimtipp. Die Einrichtung klassisch für das das in den letzten Jahren attraktiv gewordene Neuköllner Kiez: Tische und Stühle von Flohmärkten zusammengesammelt, die Wände wirken provisorisch hergerichtet – Mauerwerk, Putz, blumige Tapetenreste. Auf einer Tafel lässt sich das Tagesmenü ablesen, auf der anderen könnte die Getränkeauswahl zu lesen sein, stünde da nicht gerade ein Lokalreporter der Berliner Zeitung davor, der das neue Restaurant ebenfalls erkundet. Er schaut’s an und lässt sich was erzählen. Wir bestellen erst mal und bekommen erzählt, was es zu essen gibt: Süßkartoffelsüppchen mit Ingwer und Kräuterbrot oder Mischsalat mit Brotcroutons an Papaya, zum Hauptgang Mangold-Tofu-Röllchen, gegrillte Broccoli und Kartoffelgratin, zum Nachtisch Heidelbeerschnitten mit Sojasahne. Das 3-Gänge-Menü ist heute vegan und alles andere als ein Arme-Leute-Essen, was man unter der Ankündigung Reste-Essen vielleicht erwartet hätte.
Warum ein Restaurant mit Resten à-la-carte? – Weil bei uns viel zu viel Essen in der Tonne landet. Jährlich sind das in Deutschland 11 Mio. Tonnen Lebensmittel im Wert von 25 Mrd. Euro in der Tonne, berichtet die Verbraucherzentrale. Lebensmittelmüll, der auf nahezu jeder Etappe der Verbraucherkette weggeworfen wird: vom Lebensmittelhersteller bis zum Privathaushalt. Auf Sattelschlepper geladen entstünde eine Strecke von Düsseldorf bis Lissabon und wieder zurück.
Die Berliner Restlos-Glücklich-Leute haben sich das Kopenhagener Reste-Restaurant Rub&Stub zum Vorbild genommen und retten Lebensmittel vor der Tonne. Die Reste stammen natürlich nicht aus zubereiteten Gerichten, sondern aus Lebensmitteln, die aus diversen Gründen nicht mehr verkauft werden: weil die Gurke zu krumm ist, weil die Avocados schon reif waren oder weil in einer Kiste Wirsing ein Kohlkopf ein braunes Blatt hatte. Restlos Glücklich wird unter anderem durch Lieferungen von Denns und von einem Bio-Großhändler unterstützt.
Ziel des Unternehmens ist es, Lebensmittel zu retten, aber auch bei den Menschen ein Bewusstsein für ihr Ess- und Konsumverhalten zu schaffen. Gewinne, die das Restaurant abwirft, will das ehrenamtlich arbeitende Team in Bildungsprojekte investieren, Workshops oder Kochkurse etwa, die die verlorengegangene Wertschätzung guter Lebensmittel wieder aufleben lassen sollen. Das Startkapital fürs Restaurant kam über Crowd-Funding zustande. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob die Restlos-Glücklich-Leute einen Mietvertrag für die Kienitzer Straße bekommen.
Erste Zwischenbilanz: Das Essen war super, der Service sehr angenehm und professinell. Wir haben niveauvoll gespeist und getrunken und können Projekt und Restaurant wärmstens weiterempfehlen.
Nachtrag: Nach erfolgreicher Testphase und Renovierungsarbeiten im Lokal hat nun RESTLOS GLÜCKLICH dauerhaft geöffnet: mittochs bis samstags, 18 Uhr -22.30 Uhr mit täglich wechselnder Karte in der Kienitzerstraße 22, Berlin. Weitere Informationen und Reservierungen unter www.restlos-gluecklich.berlin