Immer wieder begegnet mir Werbung für Bio-Lebensmittel, bei der ich nur den Kopf schüttele. Weil ich weiß, dass der Endkunde dabei wissentlich hinters Licht geführt wird. Deshalb will ich solche Fälle näher beleuchten. Diesmal: Die Allos Hof-Manufaktur.
Das Wort Manufaktur kommt vom lateinischen manus für Hand und facere, das machen oder herstellen bedeutet. Der Duden beschreibt Manufaktur als „gewerblicher Kleinbetrieb, in dem [stark spezialisierte] Produkte [im Wesentlichen oder teilweise] in Handarbeit hergestellt werden, was zu einer hohen Qualität führt.“ Auch die Initiative Deutscher Manufakturen führt als wichtigstes Kennzeichen auf: „Die Produkte werden überwiegend oder produktprägend in Handarbeit gefertigt.“ Klein, überschaubar, Handarbeit also. Und das noch auf dem Hof, also besonders natürlich und – weil Lebensmittel – auch regional. Direkt vom Acker – auf dem Hof verarbeitet – und frisch zum Kunden. So klingt Hof-Manufaktur.
Allos ist eine inzwischen 40 Jahre alte Naturkostfirma. Bio-Urgestein also. Und der Firmensitz in Mariendrebber ist ein alter Fachwerkhof. Doch wird hier nicht angebaut, sondern verarbeitet: Honig und Agavensirup aus Mexiko, Amaranth aus Südamerika, Hafer oder Marzipan von dort, wo die „europäische Supply Chain Organisation“ der niederländischen Wessanen-Gruppe eben einkauft. Denn Allos gehört bereits seit 2001 zu diesem börsennotierten Konzern, der zahlreiche Bio- und Gesundheitsmarken besitzt und 2013 rund 700 Millionen Euro umsetzte.
Verwerflich ist das nicht – aber das sind nicht die Strukturen, die ein Verbraucher sich unter Hof-Manufaktur vorstellt. Zumal zur Allos Hofmanufaktur GmbH nicht nur die Marke Allos sondern auch andere deutsche und niederländische Wessanen-Marken gehören: Tartex, Dr. Ritter, Sesamstraße, De Rit, Moolenartje. Bis Frühjahr 2014 firmierte die Hof-Manufaktur noch als Wessanen Fachhandels GmbH. Ihr Sitz ist immer noch Bremen. Sie beschäftigt insgesamt 250 Mitarbeiter. Auch Allos alleine, ganz ohne Konzern-Mutter und Schwester-Marken, wäre keine Hof-Manufaktur, sondern ein mittelständischer Hersteller, der laut Bilanz 2012 rund 33 Millionen Euro umsetzte.
Warum also der Zinnober? Die Marke Allos entwickelte sich über Jahre langsamer als der Biofachhandel insgesamt. Die dennoch beträchtlichen Gewinne gingen in die Niederlande. Die Konzernmutter befindet sich seit langem in einem Umstrukturierungs- und Schrumpfungsprozess, in dessen Verlauf die Tochtergesellschaften und ihre Marken mehrfach umgruppiert wurden. Mehrere führende Mitarbeiter von Allos und Wessanen Deutschland warfen in den letzten Jahren das Handtuch. Die Marke hatte ihre Seele verloren.
Inzwischen haben wohl auch die Konzernleiter in den Niederlanden kapiert, dass sie Allos nicht nur auszutzeln können. Sie haben am Standort Mariendrebber investiert und das 2013 neu gestartete Management versucht jetzt, mit Allos-Gründer (und Verkäufer) Walter Lang als Berater an alte Zeiten und Werte anzuknüpfen und der Marke wieder Seele einzuhauchen. Und weil man ganz, ganz früher mal in Mariendrebber das Müsli mit der Hand abfüllte, muss jemandem die Hof-Manufaktur eingefallen sein.
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Auch in der Biobranche machen sich immer mehr kapitalistische Konzentrationstendenzen bemerkbar, die für mich jedenfalls beängstigend sind. Allos hat ja vor einiger Zeit die Firma Tartex aufgekauft. Diese ziemlich bekannten Pasteten aus dem Reformhaus, in diversen Geschmacksrichtungen. Die gibt es jetzt plötzlich und ohne Vorankündigung nicht mehr. Stattdessen ein neues Produkt namens “Brotzeit”, in Pappbechern und mit einer neuen Rezeptur. Ein mehr als 50 Jahre altes, gut eingeführtes Produkt einfach mal eben so beseitigt und aus dem Sortiment geschmissen. Ich dachte erst, das sei ein Irrtum, aber leider nein – das stimmt. Ich habe der Firma Allos eben einen bösen Brief geschrieben, mit folgendem Text:
“Sie haben mit den Tartex-Pasteten in atemberaubender Geschwindigkeit ein seit Jahrzehnten gut eingeführtes Produkt platt gemacht. Nicht nur die Verpackung verändert, sondern auch die Rezeptur und den Namen. Sind Sie denn völlig verrückt geworden ? Nach sämtlichen, allgemein gültigen Merketingregeln ist das ein absolutes NoGo. Viel Freude dann beim Schiffbruch ! Bei dem Sojazeugs bin ich nicht dabei (war ein Kunde der dritten Generation). Viele andere Kunden werden diesen Weg ebenfalls nicht mitgehen. Man wird sich nach Alternativen umschauen, und die ganz bestimmt auch finden. Hier im Badischen macht man übrigens keine Brotzeit, dieses Wort befindet sich nicht in unserem Vokabular.
Ich werde auch alle anderen Artikel ihres Bio-Konzerns boykottieren. Eigentlich eine Frechheit, wie sich so ein großer Betrieb, wie Allos immer noch Hof-Manufaktur nennen darf. Das ist Verbraucherveräppelung der schlimmsten Sorte. Dagegen müsste man fast schon klagen.