Zur BioFach haben die Bio-Verbände eine Nürnberger Erklärung vorgelegt. Darin wenden sie sich, wie sie das seit über einem Jahr tun, gegen die Totalrevision der EU-Öko-Verordnung. Dass dieser von der EU-Kommission im März 2014 vorgelegte Vorschlag der Bio-Branche schaden würde, ist unbestritten. Das sehen – dank des Engagements der Verbände – auch die allermeisten Politiker inzwischen so. Deshalb wird es die Totalrevision, so wie sie die Kommission vorgelegt hat, nicht geben. Die Nürnberger Erklärung jedoch tut so, als stünde immer noch die Totalrevision zur Debatte, als hätte sich in den letzten zwölf Monaten nichts getan. Ihr Inhalt ist undifferenziert und inhaltlich falsch. Deshalb gehört sie nicht unterschrieben, sondern eingestampft.
Schon ganz am Anfang der Erklärung heißt es. „Nein zur Brüsseler Bio-Bremse“ und gleich darauf: „EU-Agrarkommissar Phil Hogan, das EU-Parlament und der EU-Agrarrat wollen trotz scharfer Kritik an der von der EU-Kommission geplanten Totalrevision der EU-Öko-Verordnung weiter festhalten.“ Das ist eine wissentliche Falschaussage.
Der Agrarministerrat hatte im Dezember einen Sachstandsbericht mit Leitlinien „als politische Orientierung für die künftigen Arbeiten an diesem Text“ verabschiedet. Von den Bio-Verbänden wurde das als Scheitern des Kommissionsentwurf gewertet, weil diese Leitlinien die Kritik der Bio-Branche weitgehend berücksichtigten. Und jetzt schreiben diese Verbände, der EU-Agrarrat wolle an der Totalrevision weiter festhalten.
Im EU-Parlament sind sich die Zuständigen aller Fraktionen einig, „dass der Ökolandbau nicht in die Nische zurückgedrängt werden soll und dass die Öko-Branche einen verlässlichen und guten Rechtsrahmen braucht. Deshalb soll der Kommissionsvorschlag auf die Regelungen in der derzeit gültigen Öko-Verordnung zurück geschrieben und an wichtigen Punkten gezielt verbessert werden.“ So steht es im aktuellen Sachstandsbericht des BÖLW. Und derselbe BÖLW schreibt in der Nürnberger Erklärung, das EU-Parlament wolle an der Totalrevision weiter festhalten. Also was nun??
Eigentlich sollten die Bio-Verbände froh sein, dass ihre Argumente gehört wurden. „Es muss verhindert werden, dass die vorgelegte Totalrevision in Kraft tritt“, heißt es in der Erklärung. Das ist bereits verhindert worden. Die vorgelegte Totalrevision wird nicht in Kraft treten. Oder wie Martin Häusling, Bio-Bauer und Berichterstatter zur EU-Öko-Verordnung im Europaparlament, auf der Biofach mehrmals betonte: „Der Pestizid-Grenzwert ist gestorben, die Branche kann sich locker machen.“ Doch die Branche will sich nicht locker machen. Sie ist nachhaltig beleidigt, weil Ministerrat und Parlament den Kommissionsentwurf nicht einfach zurückgewiesen haben, sondern ihn als Arbeitsvorlage nehmen, um die bestehende EU-Öko-Verordnung fortzuentwickeln.
Die Verbände halten dieses Vorhaben, aus einer schlechten Vorlage etwas Gutes zu machen, für sehr riskant bis unmöglich. Auf einer Veranstaltung auf der BioFach verglich Bioland-Präsident Jan Plagge Häuslings Vorhaben mit der schiefgelaufenen Planung des Flughafens Berlin-Brandenburg. Rechtsanwalt Hanspeter Schmidt erklärte, das Europaparlament werde bei dem Versuch scheitern, einen konsistenten Text zusammenzubringen. Gleichzeitig wurde auf dieser Veranstaltung deutlich, dass die Bio-Verbände in die Arbeit des Europaparlaments eng eingebunden sind.
Trotz ihrer Mitarbeit an Martin Häuslings Änderungsanträgen setzen die Verbandsstrategen darauf, dass es wegen der Komplexität des Themas weder im Rat noch im Parlament zu einer Einigung kommt und die Kommission dann im Herbst frustriert ihren Entwurf zurückzieht. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass dann etwas anderes oder gar Besseres nachkommt. Es könnte auch sein, dass die Kommission schmollt und gar keine Vorschläge macht, die bestehende EU-Öko-Verordnung zu ändern. Dann blieben auch deren Schwächen und Lücken so wie sie jetzt sind. Denn nach den EU-Regularien kann nur die Kommission neue Gesetzesvorschläge einbringen. Ministerrat und EU-Parlament müssen auf der Basis dessen arbeiten, was die Kommission vorlegt. Genau das machen sie derzeit. Und die Verbände? Sie machen ihre potentiellen Partner im Rat und im Parlament mit ihrer Nürnberger Erklärung dumm an. Bravo!