Auf eine richtige Piratengeschichte stößt man bei Bio-Recherchen nicht jeden Tag. Und auch diese fing ganz unspektakulär an – mit einem Zeit-Artikel. Darin ging es um die fitness- und vegansüchtigen Wohlstandsmenschen, die jetzt anfangen, den armen Äthiopiern ihr Grundnahrungsmittel Teff wegzuessen. Weil diese Zwerghirse so gesund ist, ein glutenfreies Superfoood, das neue Quinoa.
Der erste Googler ergab jede Menge mit Promis verzierte Fitnesstexte. Teff mit Victoria Beckham. Brrr. Beim zweiten Versuch ging mir eine unscheinbare pdf ins Netz: Ein Report des norwegischen Fridtjof Nansen Instituts: „The Access and Benefit-Sharing Agreement on Teff Genetic Resources – Facts and Lessons“. Ja was glaubt denn diese Suchmaschine, wer ich bin? Schnell das Inhaltsverzeichnis scannen: Teff flour, patent claims?? Stop! Was formell eine eher trockene völkerrechtliche Abhandlung war, entpuppte sich als spannender Krimi. Im Detail beschreiben Regine Andersen und Tone Winge in ihrem im Oktober 2012 erschienen Report, wie einige niederländische Bio-Piraten vor zehn Jahren mit äthiopischen Behörden einen Vertrag schließen. Sie bekommen das Recht, bestimmte Teff-Sorten zu nutzen und daraus verschiedenste Produkte herzustellen. Im Gegenzug sollte Äthiopien an Forschungsergebnissen ebenso beteiligt werden wie an Lizenzzahlungen und Erlösen aus diesen Teff-Produkten. Parallel dazu lassen sich die Niederländer jedoch vom Europäischen Patentamt Teffmehl patentieren – und verdienen seither an jedem verkauften Kilo Teff-Mehl – auch im Bio-Laden. Ihr Unternehmen bezeichnet sich als weltgrößter Teffsaat-Produzent, der mit Vertragsbauern in unterschiedlichen Teilen der Welt zusammenarbeitet. Die Äthiopier schauen in die Röhre, denn ihr eigentlicher Vertragspartner ging 2009 pleite, nachdem die alten Eigner Saatgut und Patent in eine neue Firma überführt hatten.
Entstanden ist daraus eine lange Geschichte für bio-markt.info. Mit Stellungnahmen der beiden Unternehmen, die im Bioladen Teffmehl anbieten. Weil Journalisten und Verlage von etwas leben müssen, gibt es den Text nur für Abonnenten. Das ist ökonomisch nachhaltig – und lohnt sich auch.
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das ist schon spannend, allerdings eher aus der Sicht, dass es gelingt den Zugriff auf natürliche Erzeugnisse der Allgemeinheit durch privatrechtliche Schutzmassnahmen zu beschränken- wirklich visionär waren die niederländischen “Piraten” als sie vor 10 Jahren wohl schon eine Ahnung davon hatten, dass eine eingebildetet Glutenunverträglichkeit sich zu einem Massen-Phänomen der westlichen Wohlstandsgesellschaft ausweiten wird