Ökotest hat in Bio-Chiasamen aus Paraguay mehr Pestizidrückstände gefunden als die Polizei erlaubt. Basic und Alnatura mussten ihre Eigenmarkenprodukte aus den Regalen räumen. Beide begründeten die festgestellte Belastung mit Abdrift.
Alnatura beschreibt eindrucksvoll, wie sich die Kleinbauern mit Zuckerrohrhecken vor den Pestizidschwaden der konventionellen Landwirte zu schützen versuchen. Weiter heißt es auf der Webseite: „Die Qualitätskontrollen für die Alnatura Bio-Chia-Samen sind sehr streng. So werden die Bio-Chia-Samen schon vor der Abfüllung auf eventuelle Pflanzenschutzmittel untersucht.“ Gefunden hat die Qualitätskontrolle nichts – Ökotest schon. Auch bei Basic gab es anscheinend vorab keine Analysen. Der Filialist schreibt: „Paraquat-Nachweise in Chiasamen sind leider recht häufig und werden von Experten als ein Beispiel für den Pestizid-Eintrag über allgemeine Umweltkontamination (Luft, Wasser, Boden) gesehen.“ Da lachen die Experten.
Im letzten Sommer berichtete auf einer der immer empfehlenswerten Tagungen des Naturkost Süd Jochen Neuendorff von der Ökokontrollstelle GfRS über seine Erfahrungen mit Bioanbau im Ausland. Bei einem Erzeuger von Bio-Chiasamen in Südamerika fand er offenbar mit dem Bulldozer gerodete Flächen mit abgefackelten Baumstrünken und einen Sack Kunstdünger. Die Analyse der Ernte ergab Glyphosat-Verunreinigungen. Sein Kommentar damals: „Ja woher sollen denn die plötzlich nachgefragten riesigen Mengen an Bio-Chiasamen kommen?“
Nicht viel anders übrigens bei den plötzlich so fleißig gezupften und pulverisierten Moringablättern. Das CVUA Stuttgart hat von 2013 bis 2015 immer wieder Moringablätter untersucht, fand in einigen Salmonellen und in fast allen zu viele Pestizide – auch in allen drei analysierten Bio-Produkten. In einem davon ließen sich 18 Wirkstoffe nachweisen.
Abdrift ist eine wohlfeile Begründung für Pestizidbelastungen, aber ob sie bei Chia-Samen aus Paraguay zutrifft, bezweifle ich. Es stimmt, dass der Einsatz des in der EU längst verbotenen Herbizids Paraquat dort im konventionellen Anbau gängig ist. Angesichts der explodierten Nachfrage nach Bio-Chia halte ich es für weit wahrscheinlicher, dass konventionelle Ware mit Paraquat- und anderen Rückständen umdeklariert wurde. Die von Ökotest festgestellten Belastungen überraschen mich nicht. Sie zeigen, dass womöglich bei einigen Herstellern Einkauf und Qualitätssicherung dem Superfood-Boom im Regal nicht mehr hinterherkamen.