Eigentlich kann ich diese Selbsterfahrungs-Bücher nicht leiden. Da bin ich empfindlich. Sobald ich das Gefühl habe, ich soll missioniert werden, stellen sich meine Ohren auf Durchzug. Und doch beschäftigten mich gleich zwei solcher Exemplare in den vergangenen Wochen: Anständig essen, ein Buch von Karen Duve und Plastikfreie Zone von Sandra Krautwaschl.
Über Karin Duves Buch: Anständig essen stolperte ich, als ich für einen Artikel zum Thema Ernährungsformen recherchierte. Las nur kurz rein – und blieb hängen. Denn Karen Duve macht das ganz trickreich: schreibt pfiffig, mit Selbstironie und trockenem Humor über ihre Erlebnisse auf fremdem Terrain: als Bio-Esserin, zwei Monate später als Vegetarierin, dann ernährte sie sich vegan und schließlich frutarisch. (Frutarisch muss ich vielleicht erklären: Frutarier sind noch strenger als Veganer: Sie essen nur das, was eine Pflanze hergibt ohne Schaden davon zu haben: Beeren, Äpfel, eventuell Samen und Nüsse.)
Karen Duves Trick: Sie macht eine Geschichte draus. Sie erzählt von der neuen Mitbewohnerin, die sich so fürchterlich korrekt vorwiegend mit Bio und vegetarisch ernährt. Und von den Tieren, die die Protagonistin umgeben und ihr täglich zeigen, dass die Welt nicht ganz heil ist: die krebskranke Bulldogge Bully, das störrische Maultier Bonzo, das sich partout nicht zureiten lässt und schließlich muss die Protagonistin auch noch entscheiden, was mit dem Sussex-Huhn Betty zu tun ist, das der Fuchs geköpft hat. Sie formuliert ihre Skepsis und weist auf Widersprüche hin. Ganz nebenbei informiert sie ihre Leser über ihre Recherchen in Sachen konventioneller Landbau und Tierhaltung, bringt auch da Aktion rein, indem sie bei einer Hühnerbefreiung aus Massentierhaltung mitmischt. Unter der Hand erreicht sie also schon, dass gelesen wird, was sie zu sagen hat. Und wickelt mich um den Finger: Ich freue mich, weil ich unter dem Lesen immer mal wieder vor mich hinkichern kann. Tja, also: Gut gemacht.
Sandra Krautwaschl hat einen anderen Zugang zur Plastikfreie(n) Zone (Heyne 2012). Sie war so beeindruckt von dem Film Plastic Planet, dass sie beschloss, ein Experiment zu wagen und gemeinsam mit ihrer Familie ein Jahr lang ohne Plastik zu leben. Das ist viel radikaler als nur anständig zu essen. Über ihre Erfahrungen führte die Mutter von drei Kindern Tagebuch im Blog. Alles sehr ernsthaft. Und voller Enthusiasmus. Gerade deshalb für mich nicht so einfach zu lesen. Ich bin da hin- und hergerissen: einerseits beeindruckt von der Konsequenz, mit der Sandra Krautwaschl das durchzieht. Und erstaunt, wie leichthändig es ihr offenbar gelingt, die Familie zum Mitmachen zu motivieren. Denn aus Vollwert-Anfangszeiten kenne ich noch die Kämpfe, die Mütter mit ihren Kindern und der Umgebung auszufechten hatten, wenn es zum Geburtstagsfest bröseligen, sparsam gesüßten Vollkornkuchen gab, dazu Saft, aber keine Cola und Samba, aber kein Nutella. Das ging bei Krautwaschls offenbar verhältnismäßig kampflos ab. Gut, die Plastik-Ritterburg war ein Problem. Vorübergehend. Und natürlich ging es nicht ohne Kompromisse: Aufs Handy musste keiner verzichten. Als das alte kaputt war, wurde es eben durch ein gebrauchtes ersetzt.
Doch insgesamt gelingt es der Familie erstaunlich problemlos, durchzuziehen, was sie sich vorgenommen hat. Das beeindruckt mich wiederum so sehr, dass ich ein ungutes Gefühl bekomme. Ist es Neid oder ein schlechtes Gewissen? Ich könnte so etwas nämlich nicht. Also: Das Buch ist im Prinzip schon gut, mit einem Anhang voller Hinweise, wie jeder von uns nachhaltiger leben kann. Aber ich hab’s nicht zu Ende gelesen. Mich lieber im Internet etwas näher über die Plastik-Problematik informiert.
Karen Duve: Anständig essen. Ein Selbstversuch. Goldmann 2011. 9,99 Euro
Sandra Krautwaschl: Plastikfreie Zone. Wie meine Familie es schafft, fast ohne Kunststoff zu leben. Heyne 2012. 8,99 Euro